Waidgerechte Jagd

Das Konzept der Waidgerechtigkeit ist elementar für das Selbstverständnis und das praktische Handeln des Jägers. Ablehnung der Jagd oder Vorurteile gegen Jäger von Außenstehenden sind oft leicht zu klären, wenn man ihnen das Konzept der Waidgerechtigkeit vermitteln kann.

Zudem ist die Waidgerechtigkeit nicht nur eine Frage der Ehre für den Jäger persönlich: Im Bundesjagdgesetz ist die Pflicht zur Beachtung der Grundsätze der Waidgerechtigkeit festgehalten – bei Verstößen kann der Jagdscheinentzug drohen. Da die Jagd eine starke soziale Komponente hat, ist auch von persönlichem Interesse, sein Ansehen als waidgerechter Jäger aufrechtzuerhalten.

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Allgemein ist Waidgerechtigkeit der Oberbegriff für alle ungeschrieben und geschriebenen Regeln, die die Jagd betreffen. Durch sie sind die Interaktionen des Jägers mit dem Wild und der Natur, mit anderen Jägern und auch mit Nichtjägern umfassend geregelt.

Der wichtigste Teilbereich der Waidgerechtigkeit regelt den Umgang mit dem Wild selbst. Diese Kategorie ist so wichtig, weil der Mensch den Wildtieren natürlich technologisch weit überlegen ist.

Bei rücksichtsloser Ausnutzung und dem Einsatz aller Möglichkeiten wäre es eine Leichtigkeit, die Wildbestände innerhalb von kürzester Zeit zu dezimieren. Aber hinter dem waidgerechten Umgang mit dem Wild steht nicht nur der Schutz von gesunden Wildpopulationen, sondern auch der Respekt zum Wild.

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Der Jäger hat dem Wild stets auf Augenhöhe zu begegnen. Es ist absolute Pflicht, dem Wild alle unnötigen Qualen zu ersparen, dem Wild eine Chance zu geben und dem Wild auch nach der Erlegung die ihm gebührende Ehre zu erweisen.

Zum Teil gibt es gesetzliche Vorgaben, die sich hier mit der Waidgerechtigkeit überschneiden: Etwa der Einsatz von vollautomatischen Waffen oder der Einsatz von Schlingfallen sind nicht nur gesetzlich verboten, sondern auch unwaidgerecht.

Waidgerechtigkeit geht hier aber weit über das Gesetz hinaus. Der Schuss auf einen Hasen in der Sasse oder auf Federwild am Boden wäre unter Gesichtspunkten der Jagdgesetze, der Sicherheit und des Tierschutzes möglich.

Trotzdem beschränkt sich der waidgerechte Jäger hier. Auch der Umgang mit dem erlegten Tier spricht Bände über den Charakter eines Jägers. Obwohl das Wild tot ist, verdient es trotzdem einen respektvollen Umgang. Es repräsentiert weiter alle Tugenden der Wildnis. Somit ist Ehrfurcht und eine Verwertung des Wildbrets selbstverständlich.

Der nächste Teilbereich der Waidgerechtigkeit hat weniger mit konkreter jagdlicher Praxis zu tun, sollte aber das Verhalten des Jägers dennoch informieren. Der Jäger ist verpflichtet, über die ein tiefes Verständnis für die Natur zu gewinnen und sich stets weiterzubilden. Außerdem hat er die Hege des Wildes vor die Bejagung zu stellen.

Auch der Umgang der Jäger mit der Gesellschaft ist unter die Waidgerechtigkeit zu fassen. Mit anderen Jägern sollte der Umgang kameradschaftlich sein. Schließlich teilt man sich eine unvergleichliche Passion. Auch kulturelle Aspekte der Jagd sind zu bewahren. Dazu gehört die Pflege des jagdlichen Brauchtums.

Schließlich beinhaltet die Jagd weit mehr als die Erlegung von Wild und Erhalt von Traditionen und hilft, die Jagd auf eine Ebene über reine Durchsetzung land- und forstwirtschaftlicher Interessen durch den Abschuss von Wild zu stellen. Um die Jagd gesellschaftsfähig zu halten und vor rechtlichen Einschränkungen zu schützen, muss auch der Umgang mit der nicht jagenden Öffentlichkeit geregelt und respektvoll ablaufen.

Ablehnung der Jagd ist leider allgegenwärtig. Nichtjäger haben auch ein Recht, die Landschaft zu nutzen und teilen zumindest oft eine Liebe zur Natur.

Die Grundsätze der Waidgerechtigkeit regeln also das Auftreten und Verhalten des Jägers in praktisch allen Bereichen der jagdlichen Aktivitäten und darüber hinaus. Die Waidgerechtigkeit ist eines der höchsten Güter der Jägerschaft und kann den Fortbestand unserer Zunft sichern.

Was bedeutet es, Jäger zu sein?

Jäger erleben die Welt grundsätzlich anders als Nichtjäger. Natürlich ist die Motivation zur Jagd bei jedem anders begründet und es gibt eine Vielzahl von legitimen Gründen zur Jagdausübung.

Der Reiz der Jagd liegt in ihrer Vielschichtigkeit, der Genuss von frischem Wildbret und die Geselligkeit gehören auch dazu. Jedoch gibt es ein Bereich, der besonders hervorsteht:

Die intensive Verbindung zum Wild und zur Natur, die nur Jäger erleben dürfen. Ein umfassendes Verständnis von natürlichen Prozessen und von den Realitäten der Natur kann nur derjenige erlangen, der als aktives Subjekt darin handelt und zu einem Teil davon wird. Das Glück eines Jägers ist nahezu unbeschreiblich und eine große Ehre, die mit Respekt akzeptiert werden muss.

Die Einhaltung der Grundsätze der Waidgerechtigkeit muss für den Jäger stets die oberste Pflicht sein. Der Jäger ist mit seinem Gewissen allein im Revier und waidgerechtes Verhalten geht oft mit Verzicht oder Mühe einher. Doch nur, wer dies akzeptiert und stets sein Bestes tut, verdient es, sich Jäger nennen zu dürfen. Jäger zu sein heißt nicht, nie Fehler gemacht zu haben. Aber es heißt, auf das eigene Handeln stets stolz sein zu können und das Gefühl zu haben, keine seiner Handlungen verbergen zu müssen.

Was bedeutet Jagdethik?

Der Begriff der Jagdethik ist kaum von der Waidgerechtigkeit zu trennen. Im Revier ist der Jäger meist allein, dennoch hält er sich an die bereits beschriebenen Regeln. Die Werte eines guten Jägers entspringen also nicht aus der Überwachung durch den Gesetzgeber, seine Mitjäger oder die Öffentlichkeit. Sittliche Absichten und Handeln sind intrinsisch motiviert und spiegeln ein Verständnis von der selbstauferlegten Verantwortung wider, die mit der Jagdausübung einhergeht.

Im Angesicht der omnipräsenten Gegnerschaft zur Jagd ist es wichtiger denn je, dass die Waidgerechtigkeit und eine robuste, selbstverständliche Jagdethik in der Jägerschaft erhalten bleiben. Verfehlungen von Einzelnen reflektieren auf die Gesamtheit der Jäger. Jagdethik oder Waidgerechtigkeit sind in ihrer praktischen Umsetzung nicht statisch. Praktiken, die früher als waidgerecht angesehen wurden, sind heute verpönt oder illegal.

In anderen Bereichen werden neue Technologien akzeptiert und verbreiten sich zusehends. Unabhängig von Diskussionen über einzelne Sachverhalte ist der Jäger gefragt, seine Vorbildfunktion zu akzeptieren und eine Generation von Jungjägern zu prägen, die die Jagd auch in Zukunft als eine gesellschaftliche akzeptierte, ehrenhafte Leidenschaft repräsentieren werden.

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